In jüngerer Vergangenheit hat es wohl jeder schonmal schmerzhaft erfahren: „Datenschutz geht uns alle an.“ Und so startete Barbara Thiel mit genau dieser Kernaussage in ihren Vortrag. Die Landesbeauftragte für Datenschutz in Niedersachsen referierte auf Einladung der städtischen Wirtschaftsförderin Annette Junicke-Frommert und des Beraternetzwerks „Existenz und Zukunft“ in der Lindenhalle. Knapp 30 Gäste verfolgten den Vortrag mit dem Titel „Zwischen Aufklärung und Kontrolle – die Rolle der Aufsicht in Zeiten der Datenschutz-Grundverordnung“.

„Ich freue mich sehr, dass es eine Gruppe gibt, die sich für dieses Thema interessiert“, sagte die ehemalige Wolfenbütteler Kreisrätin zu Beginn. Denn eines sei ihr und der Belegschaft in der Hannoveraner Aufsichtsbehörde klar: „Datenschutz ist nicht sexy.“ Und doch greife die Grundverordnung, an deren Einführung auf Bundesebene Barbara Thiel selbst mitgearbeitet hat, mittlerweile in viele Bereiche des Lebens ein. Im Grunde nachvollziehbar: „Digitalisierung ohne Datenschutz geht nicht – erst der Datenschutz schafft Vertrauen in die digitalen Produkte.“

Die Referentin, die an der Universität Göttingen auch einen Lehrauftrag zu dem Thema hat, ging kurz auf die Geschichte und die Einführung der Grundverordnung ein – auch im europäischen Rahmen. „Die Staaten mussten sich da erstmal zusammenfinden, zum Beispiel mussten wir Prinzipien aufstellen um zu klären, in welchem Land multinationale Firmen eigentlich belangt werden, wenn sie sich etwas zuschulden kommen lassen.“ Auch die Startbedingungen der Länder lagen teils weit auseinander: „In manchen Ländern gab es nicht mal eine Aufsichtsbehörde, sie musste erst aufgebaut werden.“

Ihr eigenes Team umfasst jetzt 56 Personen, und nach dreijähriger Tätigkeit lässt sich sagen: Die Leute haben gut zu tun. „Das ursprüngliche Ziel, nämlich anlasslose Kontrollen in Betrieben, lässt sich im Grunde nicht erreichen“, schilderte Barbara Thiel. „Dazu steigen die gemeldeten Datenschutz-Verstöße viel zu stark an.“ Beispielsweise kletterten die Bürgerbeschwerden von 1000 (2018) auf 2500 im vorigen Jahr. Die Gründe liegen in zunehmenden Verstößen oder Pannen bei Firmen, aber auch in der wachsenden Sensibilität bei den Bürgern. „Augenblicklich nimmt die Zahl der Beschwerden über unerlaubte Videoüberwachung zu“, schilderte sie aus der Praxis. „Wenn Sie zum Beispiel eine Dashcam im Auto haben, kann ich Ihnen nur raten, die nicht dauerhaft laufen zu lassen.“

Gleichwohl warb die Referentin darum, weiter aufmerksam zu sein und ihre Behörde zu informieren, wenn etwas schief laufe. „Wer zum Beispiel schon dreimal ohne Erfolg einen unerwünschten Newsletter abbestellt hat, kann uns informieren. Seien Sie sicher: Wenn wir uns bei dem Absender melden, bekommen Sie keinen Newsletter mehr.“ Ähnliche sehe es aus, wenn Bürger bei Firmen nachfragen, welche personenbezogenen Daten dort gespeichert werden. „Wir sind unter anderem angetreten, auf diesen Gebieten Transparenz herzustellen – und wir bekommen die erforderlichen Antworten, das steht mal fest.“

Als Hebel steht der Aufsichtsbehörde ein Bußgeld-Katalog zu Gebot. „Voriges Jahr haben wir gegen einen Onlinehändler eine Buße von 10,4 Millionen Euro verhängt“, berichtete sie vom Rekordwert. Gerade gegen internationale Firmen vorzugehen sei gleichwohl schwierig. „Wir haben nur drei Juristen im Haus, die bei solchen Fällen auf große Gegenwehr und ganze Rechtsabteilungen stoßen.“

Übrigens schaut die unabhängige Landesbeauftragte keineswegs nur dann genau hin, wenn Firmen im Fokus der Kritik stehen. „Im Moment sind wir sehr unzufrieden mit der Landesregierung“, berichtete Barbara Thiel. Durch Corona sei es zwar auf vielen Gebieten üblich geworden, Lehrveranstaltungen per Video abzuhalten und sogar Prüfungen mit einer Kamera zu übertragen. „Aber wir warten seit anderthalb Jahren auf ein datenschutzkonformes Konzept.“ Adressat ihrer Kritik: „Das Bildungsministerium.“

Zum Foto: Gute Laune in der Lindenhalle, weil endlich wieder Veranstaltungen möglich sind (von links): Wolfenbüttels Wirtschaftsförderin Annette Junicke-Frommert, Landesbeauftragte Barbara Thiel, die Referentin des Abends, und Michael Schmitz, der Vorsitzende des Beraternetzwerks „Existenz und Zukunft“. Foto: Frank Wöstmann/Regio-Press